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Sonntag, 29. Mai 2022
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Parlare heisst lateinisch reden. Damit Parlamentarier das freie Wort führen können, wurde ihnen zum Schutze des freien Wortes vor rechtlicher Verfolgung die sogenannte parlamentarische Immunität gewährt. Wobei die Immunität selbstverständlich... weiterlesen
Kino: «Top Gun: Maverick» 1986 zog «Top Gun – Sie fürchten weder Tod noch Teufel» Junge und Jung- gebliebene in Scharen in die Kinos und entwickelte sich zum Kultstreifen. Nun, 36 Jahre später, findet der wiederum spektakulär inszenierte,... weiterlesen
Ich bin eine Griechische Landschildkröte, männlich, zirka 1 Kilogramm schwer und 50 Jahre alt. Ich habe einen sehr flachen Panzer und Wölbungen am Hinterteil. Ich werde seit dem 13. Mai im Kobelwies / Kobelwald vermisst. Bitte melden Sie sich... weiterlesen
Ich verbringe aktuell sehr viel Zeit auf dem Spielplatz. Was mir wahnsinnig viel Spass macht. Der Spielplatz ist irgendwie der Dancefloor der 40-Jährigen. Früher Nachtclub, jetzt Rutschbahn, Sandkasten und jegliche Brunnen, in die mein bald.. weiterlesen
Unsichere Passwörter, alte Betriebssysteme, gefälschte Mails: Schlupflöcher für Hacker gibt es viele. Doch mit ein paar Tricks kann man sich gut schützen. weiterlesen
Am 28. November stimmt das Schweizer Stimmvolk über die Volksinitiative «Für eine starke Pflege (Pflegeinitiative)» ab. Die Initianten fordern darin, die Probleme der Gesundheitsbranche, die seit Beginn der Pandemie noch massiver wurden, zu lösen. Der Rheintaler Bote verbrachte einen Morgen mit der Pflegedienstleiterin Renate Nussbaumer im Alters- und Pflegeheim Hächleren.
Thal Die BewohnerInnen des Alters- und Pflegeheim Hächleren in Thal haben im Speisesaal gerade ihr Frühstück beendet. Tassen klirren, während das Personal das Geschirr abräumt. Auf den Tischen türmen sich Teller, darum herum liegen verstreut Brotkrümel. Es ist 9.30 Uhr. Eine Dame mit weissen Haaren, zu einem Zopf zusammengebundenen Haaren, sitzt in ihrem Rollstuhl noch beim Kaffee. Am anderen Ende des Raums ruft ein Herr mit rotem Hemd nach einer Pflegerin, um ihn auf die Toilette zu begleiten.
Gedämpft hört man Stimmen von der angrenzenden Cafeteria. Dort sitzen an einem runden hölzernen Tisch die MitarbeiterInnen bei der Kaffeepause. Pflegedienstleiterin Renate Nussbaumer lässt sich einen Espresso aus der Maschine und gesellt sich zur Runde. Ihre Schicht beginnt jeweils um 7 Uhr. «Wir kommen jedoch früher, um uns bereits in die Protokolle der Nachtwache einzulesen, und uns auf unsere Schicht vorzubereiten», sagt sie. Jetzt gönnt sie sich einen Moment der Ruhe und beteiligt sich an den Gesprächen. Einer der Anwesenden erzählt vom aktuellen Geschehen, die anderen sprechen über den Nebel, der draussen den Hof in ein milchiges Weiss hüllt. Und wieder andere unterhalten sich darüber, was heute noch alles ansteht. Die Pflegeinitiative ist kein Thema während der Kaffeepause. Spricht man die MitarbeiterInnen darauf an, ist der Grundtenor der meisten klar: «Es nützt uns nichts.» PflegerInnen die sich gegen die Initiative aussprechen? Seniorchef Werner Meier sagt dazu: «Bis die Initiative umgesetzt wird, vergehen wertvolle Jahre, in denen nichts passiert», und fügt hinzu: «Wird die Initiative angenommen, erhält das Pflegepersonal mehr Lohn. Aber das hätte zur Folge, dass die Krankenkassenprämien in Zukunft steigen.»
In der Tat verlangt die Initiative vom Bund, dass dieser dem Pflegepersonal eine bessere Abgeltung in Aussicht stellt. Gerade deshalb sprach sich jüngst der Bundesrat gegen die Initiative und für den indirekten Gegenvorschlag aus. Der Gegenvorschlag sieht demnach vor, dass rasch mehr Pflegende ausgebildet werden und dass diese mehr Kompetenzen erhalten, ohne dass Kosten und Prämien deswegen steigen.
In der Schweiz hat man mit dem Problem zu kämpfen, dass bis ins Jahr 2029 ungefähr 20 000 Pflegefachleute mit Lehr- oder Fachhochschulabschluss fehlen werden. Sollte sich diese Prognose bewahrheiten, könnten von den Stellen, die einen FH-Abschluss voraussetzen, nur 67 Prozent besetzt werden. Konkret würde das bedeuten, dass knapp jede dritte Stelle unbesetzt bliebe. Die Gründe, weshalb die Spitäler und beispielsweise auch die Altersheime unterbesetzt sind, liegen auf der Hand: Für Pflegeberufe besteht abnehmendes Interesse und häufig wird dieser Beruf auch rasch gewechselt. Dies zeigt ein Blick in den Nationalen Versorgungsbericht 2021 des Gesundheitspersonals der Schweiz. Die Gründe, weshalb Pflegende den Beruf wechseln, sind unterschiedlich. Zum einen spielt der Lohn eine Rolle, zum andern wird auch die Unvereinbarkeit zwischen Arbeit und Privatleben vom Pflegepersonal angeprangert. Und gleichzeitig sorgt vielerorts der Personalmangel für Überstunden, was dann ebenfalls ein Kriterium für einen Branchenwechsel darstellt.
Seit über 20 Jahren arbeitet Renate Nussbaumer im Alters- und Pflegeheim Hächleren und möchte dies auch noch bis zu ihrer Pension tun. Hätte man sie mit 18 Jahren darauf angesprochen, dass sie später als Betreuerin in einem Altersheim arbeiten würde, hätte sie gelacht und gemeint: «Nie im Leben.»
1989 arbeitete die gelernte Schneiderin für 14 Tage als Sommerjob im Alters- und Pflegeheim Hächleren. Dass sie für die Pflege eingeteilt wurde, passte Nussbaumer damals gar nicht. Vor allem, als sie das erste Mal mit intensiver Pflege in Kontakt kam: «Ich kam in das Zimmer und ein Herr sass auf seinem Bett. Die Bettlacken und der ganze Boden waren voller Urin. Ich bin gleich wieder aus dem Zimmer raus und fragte mich, was ich mir hier bloss antue», erzählt sie. Doch nach nur zwei Wochen im Heim war für sie klar, dass sie hier weiterhin arbeiten möchte. Und das tat sie. Vorerst aber nur an den Wochenenden, bevor sie 2001 ganz ins Altersheim wechselte.
Die Arbeit mit Menschen hat es ihr angetan. Aus diesem Grund absolvierte sie im Alter von 40 Jahren noch die Lehre als Fachfrau Gesundheit (FaGe). Ein paar Jahre später folgte die Berufsanerkennungsprüfung für die Langzeitpflege. Jetzt bildet sie gemeinsam mit zwei Fachpersonen Lehrlinge aus und ist Pflegedienstleiterin. Das Team ist gemischt und umfasst alle Altersklassen. «Unser Team zeichnet aus, dass sechs Fachpersonen seit nahezu 20 Jahren und länger ununterbrochen im Betrieb tätig sind», sagt Nussbaumer.
Ein Blick in die Eintritts-, Austritts- und Fluktuationsrate zeigt jedoch: Rund ein Drittel der Pflegefachpersonen verlassen den Arbeitsmarkt, wechseln den Beruf, oder steigen gar in eine andere Branche um. Diese Tatsache ist so gravierend, dass der Nachwuchs, der in den Pflegeberuf einsteigt, die Abgänge nicht wettmachen kann. Im nationalen Versorgungsbericht 2021 heisst es: «Zum einen laufen die Massnahmen bei der Rekrutierung und Ausbildung ins Leere, wenn die ausgebildeten Fachpersonen nach wenigen Jahren aus dem Gesundheitswesen aussteigen oder gar nicht erst im erlernten Beruf tätig werden. Zum anderen lassen sich die Ausbildungszahlen aus verschiedenen Gründen nicht beliebig erhöhen.» So seien zum einen die mangelnden Praktikumsplätze der wesentliche Grund, weshalb die Studienplätze auf Tertiärstufe für viele Ausbildungen beschränkt seien, heisst es im Versorgungsbericht 2021 weiter. Es sei deshalb von zentraler Bedeutung, dass die Betriebe aller Versorgungsbereiche im Rahmen ihrer Möglichkeiten praktische Ausbildungsplätze für die verschiedenen Gesundheitsberufe und Spezialisierungen anbieten. Ein wesentlicher Grund, weshalb Pflegekräfte ihre Stelle aufgeben oder gar die Branche wechseln, ist der Lohn. Aber auch die physische und psychische Belastung der Mitarbeiter spielen bei einem Branchenwechsel eine Rolle sowie die unregelmässigen Arbeitszeiten. Auch Nachtschichten gehören beim Pflegepersonal zum Alltag. Diese Arbeitszeiten führen zu Übermüdung, was den Wunsch zur Teilzeitarbeit steigen lässt.
«Die körperliche und seelische Belastung in unserem Job ist gross. Wir arbeiten hier schliesslich nicht mit Kugelschreibern sondern mit Menschen», erzählt Renate Nussbaumer, als sie gerade mit einer älteren Dame im Rollstuhl in den Lift steigt. Bei Personalmangel oder Krankheit springt Nussbaumer sowohl beim Tag- als auch beim Nachtdienst ein.
Ein «Pling» ertönt, als der Fahrstuhl den vierten Stock erreicht. Auf dem Flur begegnet sie Frau E., die gerade bei ihrem Morgensport ist. «20 Mal den Flur rauf und runter laufen, das gibt 1500 Schritte. So halte ich mich jeden Tag fit», sagt die 93-jährige Frau E. und schmunzelt. Nussbaumer plaudert einen Momentmit ihr, erkundigt sich nach ihren Kindern, ihrer Woche und wie es um ihr Knie steht, bevor sie die Dame im Rollstuhl auf ihr Zimmer begleitet.
Dass ihre Arbeit vor allem eine seelische Belastung ist, spürt die Pflegedienstleiterin jeden Tag. «Es ist kein Job, bei dem man am Abend rauslaufen kann und einfach abschaltet. Dass Leute sterben, gehört zum Alltag. Einige stehen dir sehr nah, dass geht unter die Haut.» Doch einer Pflegefachperson bleibt nichts anderes übrig, als damit umzugehen. «Die Liebe zum Menschen steht im Vordergrund, sonst kannst du diesen Job nicht ausüben.» Trotzdem: Im Vollzeitpensum als Pflegerin zu arbeiten, kommt für Nussbaumer nicht in Frage. Nussbaumer kann es mit ihrer ethischen Anforderung an sich selbst nicht vereinbaren. «Ist man im Pflegedienst im Vollzeitpensum tätig, stumpft man ab», erklärt sie. Betrachtet man die Entwicklung in der Pflege in den letzten 20 Jahren, hat sich der Ausbildungsstand um ein Vielfaches erweitert. Die Anforderungen in der täglichen Pflege sind intensiver und die Ansprüche der BewohnerInnen und Angehörigen höher. Hinzu kommt, dass die täglichen Pflegedokumentationen um das X-Fache gestiegen sind, da alles bis ins kleinste Detail dokumentiert werden muss. «Die Zeit die wir dafür benötigen, geht letztendlich für die Betreuung unserer BewohnerInnen verloren. Dadurch wird das Zeitmanagement immer intensiver», sagt sie. Der 56-Jährigen liegt es aber am Herzen, jedem der BewohnerInnen gerecht zu werden, und ihnen auch im hektischen Alltag ein bisschen Zeit zu schenken. Dies nagt an ihrer Energie. «Man braucht Zeit, um aufzutanken. Es ist ein Job, bei dem man viel Herz benötigt.» Dabei steht der Lohn bei Nussbaumer nicht im Vordergrund. Doch klar ist auch: Ein angemessener Lohn ist für das Pflegepersonal wichtig.
Es ist kurz vor halb zwölf. Die BewohnerInnen begeben sich langsam in den Speisesaal für das Mittagessen. Nussbaumer grüsst BewohnerInnen, die ihr auf dem Weg begegnen. Sie selbst fühlt sich hier auch schon fast wie zuhause. «Es kam auch schon vor, dass BewohnerInnen mich mit einer Salbe eingecremt haben, als meine Hand schmerzte. Dieses Vertrauen muss man sich erarbeiten.» Oft bleibt sie nach Feierabend länger als von ihr verlangt. Dann nimmt sie sich nochmals Zeit, spricht mit den BewohnerInnen, hält ihre Hand, ist für sie da. «Die Leute hier geben mir so viel. Das Lächeln in ihrem Gesicht ist der Grund, weshalb ich mich jeden Tag auf die Arbeit freue», sagt sie, als sich die Tür hinter ihr zum Speisesaal schliesst.
Von Cassandra Wüst und Marino Walser
Quelle: Gesundheitspersonal in der Schweiz ? Nationaler Versorgungsbericht 2021
Von Cassandra Wüst und Marino Walser
Die Initiative verlangt, dass Bund und Kantone die Pflege fördern. Es soll genügend diplomierte Pflegefachpersonen geben und in der Pflege tätige Personen sollen entsprechend ihrer Ausbildung und ihren Kompetenzen eingesetzt werden. Auch verlangt die Initiative, dass der Bund die Arbeitsbedingungen regelt und für eine angemessene Abgeltung sorgt. Ausserdem sollen Pflegefachpersonen gewisse Leistungen direkt zu Lasten der Krankenkasse abrechnen können. Der Bundesrat und das Parlament empfehlen den Gegenvorschlag. Ihr Gegenvorschlag sorgt dafür, dass rasch mehr Pflegende ausgebildet werden und diese mehr Kompetenzen erhalten, ohne dass Kosten und Prämien deswegen steigen.
Am 28. November stimmt das Schweizer Stimmvolk über die Volksinitiative «Für eine starke Pflege (Pflegeinitiative)» ab. Die Initianten fordern darin, die Probleme der Gesundheitsbranche, die seit Beginn der Pandemie noch massiver wurden, zu lösen. Der Rheintaler Bote verbrachte einen Morgen mit der Pflegedienstleiterin Renate Nussbaumer im Alters- und Pflegeheim Hächleren.
Thal Die BewohnerInnen des Alters- und Pflegeheim Hächleren in Thal haben im Speisesaal gerade ihr Frühstück beendet. Tassen klirren, während das Personal das Geschirr abräumt. Auf den Tischen türmen sich Teller, darum herum liegen verstreut Brotkrümel. Es ist 9.30 Uhr. Eine Dame mit weissen Haaren, zu einem Zopf zusammengebundenen Haaren, sitzt in ihrem Rollstuhl noch beim Kaffee. Am anderen Ende des Raums ruft ein Herr mit rotem Hemd nach einer Pflegerin, um ihn auf die Toilette zu begleiten.
Gedämpft hört man Stimmen von der angrenzenden Cafeteria. Dort sitzen an einem runden hölzernen Tisch die MitarbeiterInnen bei der Kaffeepause. Pflegedienstleiterin Renate Nussbaumer lässt sich einen Espresso aus der Maschine und gesellt sich zur Runde. Ihre Schicht beginnt jeweils um 7 Uhr. «Wir kommen jedoch früher, um uns bereits in die Protokolle der Nachtwache einzulesen, und uns auf unsere Schicht vorzubereiten», sagt sie. Jetzt gönnt sie sich einen Moment der Ruhe und beteiligt sich an den Gesprächen. Einer der Anwesenden erzählt vom aktuellen Geschehen, die anderen sprechen über den Nebel, der draussen den Hof in ein milchiges Weiss hüllt. Und wieder andere unterhalten sich darüber, was heute noch alles ansteht. Die Pflegeinitiative ist kein Thema während der Kaffeepause. Spricht man die MitarbeiterInnen darauf an, ist der Grundtenor der meisten klar: «Es nützt uns nichts.» PflegerInnen die sich gegen die Initiative aussprechen? Seniorchef Werner Meier sagt dazu: «Bis die Initiative umgesetzt wird, vergehen wertvolle Jahre, in denen nichts passiert», und fügt hinzu: «Wird die Initiative angenommen, erhält das Pflegepersonal mehr Lohn. Aber das hätte zur Folge, dass die Krankenkassenprämien in Zukunft steigen.»
In der Tat verlangt die Initiative vom Bund, dass dieser dem Pflegepersonal eine bessere Abgeltung in Aussicht stellt. Gerade deshalb sprach sich jüngst der Bundesrat gegen die Initiative und für den indirekten Gegenvorschlag aus. Der Gegenvorschlag sieht demnach vor, dass rasch mehr Pflegende ausgebildet werden und dass diese mehr Kompetenzen erhalten, ohne dass Kosten und Prämien deswegen steigen.
In der Schweiz hat man mit dem Problem zu kämpfen, dass bis ins Jahr 2029 ungefähr 20 000 Pflegefachleute mit Lehr- oder Fachhochschulabschluss fehlen werden. Sollte sich diese Prognose bewahrheiten, könnten von den Stellen, die einen FH-Abschluss voraussetzen, nur 67 Prozent besetzt werden. Konkret würde das bedeuten, dass knapp jede dritte Stelle unbesetzt bliebe. Die Gründe, weshalb die Spitäler und beispielsweise auch die Altersheime unterbesetzt sind, liegen auf der Hand: Für Pflegeberufe besteht abnehmendes Interesse und häufig wird dieser Beruf auch rasch gewechselt. Dies zeigt ein Blick in den Nationalen Versorgungsbericht 2021 des Gesundheitspersonals der Schweiz. Die Gründe, weshalb Pflegende den Beruf wechseln, sind unterschiedlich. Zum einen spielt der Lohn eine Rolle, zum andern wird auch die Unvereinbarkeit zwischen Arbeit und Privatleben vom Pflegepersonal angeprangert. Und gleichzeitig sorgt vielerorts der Personalmangel für Überstunden, was dann ebenfalls ein Kriterium für einen Branchenwechsel darstellt.
Seit über 20 Jahren arbeitet Renate Nussbaumer im Alters- und Pflegeheim Hächleren und möchte dies auch noch bis zu ihrer Pension tun. Hätte man sie mit 18 Jahren darauf angesprochen, dass sie später als Betreuerin in einem Altersheim arbeiten würde, hätte sie gelacht und gemeint: «Nie im Leben.»
1989 arbeitete die gelernte Schneiderin für 14 Tage als Sommerjob im Alters- und Pflegeheim Hächleren. Dass sie für die Pflege eingeteilt wurde, passte Nussbaumer damals gar nicht. Vor allem, als sie das erste Mal mit intensiver Pflege in Kontakt kam: «Ich kam in das Zimmer und ein Herr sass auf seinem Bett. Die Bettlacken und der ganze Boden waren voller Urin. Ich bin gleich wieder aus dem Zimmer raus und fragte mich, was ich mir hier bloss antue», erzählt sie. Doch nach nur zwei Wochen im Heim war für sie klar, dass sie hier weiterhin arbeiten möchte. Und das tat sie. Vorerst aber nur an den Wochenenden, bevor sie 2001 ganz ins Altersheim wechselte.
Die Arbeit mit Menschen hat es ihr angetan. Aus diesem Grund absolvierte sie im Alter von 40 Jahren noch die Lehre als Fachfrau Gesundheit (FaGe). Ein paar Jahre später folgte die Berufsanerkennungsprüfung für die Langzeitpflege. Jetzt bildet sie gemeinsam mit zwei Fachpersonen Lehrlinge aus und ist Pflegedienstleiterin. Das Team ist gemischt und umfasst alle Altersklassen. «Unser Team zeichnet aus, dass sechs Fachpersonen seit nahezu 20 Jahren und länger ununterbrochen im Betrieb tätig sind», sagt Nussbaumer.
Ein Blick in die Eintritts-, Austritts- und Fluktuationsrate zeigt jedoch: Rund ein Drittel der Pflegefachpersonen verlassen den Arbeitsmarkt, wechseln den Beruf, oder steigen gar in eine andere Branche um. Diese Tatsache ist so gravierend, dass der Nachwuchs, der in den Pflegeberuf einsteigt, die Abgänge nicht wettmachen kann. Im nationalen Versorgungsbericht 2021 heisst es: «Zum einen laufen die Massnahmen bei der Rekrutierung und Ausbildung ins Leere, wenn die ausgebildeten Fachpersonen nach wenigen Jahren aus dem Gesundheitswesen aussteigen oder gar nicht erst im erlernten Beruf tätig werden. Zum anderen lassen sich die Ausbildungszahlen aus verschiedenen Gründen nicht beliebig erhöhen.» So seien zum einen die mangelnden Praktikumsplätze der wesentliche Grund, weshalb die Studienplätze auf Tertiärstufe für viele Ausbildungen beschränkt seien, heisst es im Versorgungsbericht 2021 weiter. Es sei deshalb von zentraler Bedeutung, dass die Betriebe aller Versorgungsbereiche im Rahmen ihrer Möglichkeiten praktische Ausbildungsplätze für die verschiedenen Gesundheitsberufe und Spezialisierungen anbieten. Ein wesentlicher Grund, weshalb Pflegekräfte ihre Stelle aufgeben oder gar die Branche wechseln, ist der Lohn. Aber auch die physische und psychische Belastung der Mitarbeiter spielen bei einem Branchenwechsel eine Rolle sowie die unregelmässigen Arbeitszeiten. Auch Nachtschichten gehören beim Pflegepersonal zum Alltag. Diese Arbeitszeiten führen zu Übermüdung, was den Wunsch zur Teilzeitarbeit steigen lässt.
«Die körperliche und seelische Belastung in unserem Job ist gross. Wir arbeiten hier schliesslich nicht mit Kugelschreibern sondern mit Menschen», erzählt Renate Nussbaumer, als sie gerade mit einer älteren Dame im Rollstuhl in den Lift steigt. Bei Personalmangel oder Krankheit springt Nussbaumer sowohl beim Tag- als auch beim Nachtdienst ein.
Ein «Pling» ertönt, als der Fahrstuhl den vierten Stock erreicht. Auf dem Flur begegnet sie Frau E., die gerade bei ihrem Morgensport ist. «20 Mal den Flur rauf und runter laufen, das gibt 1500 Schritte. So halte ich mich jeden Tag fit», sagt die 93-jährige Frau E. und schmunzelt. Nussbaumer plaudert einen Momentmit ihr, erkundigt sich nach ihren Kindern, ihrer Woche und wie es um ihr Knie steht, bevor sie die Dame im Rollstuhl auf ihr Zimmer begleitet.
Dass ihre Arbeit vor allem eine seelische Belastung ist, spürt die Pflegedienstleiterin jeden Tag. «Es ist kein Job, bei dem man am Abend rauslaufen kann und einfach abschaltet. Dass Leute sterben, gehört zum Alltag. Einige stehen dir sehr nah, dass geht unter die Haut.» Doch einer Pflegefachperson bleibt nichts anderes übrig, als damit umzugehen. «Die Liebe zum Menschen steht im Vordergrund, sonst kannst du diesen Job nicht ausüben.» Trotzdem: Im Vollzeitpensum als Pflegerin zu arbeiten, kommt für Nussbaumer nicht in Frage. Nussbaumer kann es mit ihrer ethischen Anforderung an sich selbst nicht vereinbaren. «Ist man im Pflegedienst im Vollzeitpensum tätig, stumpft man ab», erklärt sie. Betrachtet man die Entwicklung in der Pflege in den letzten 20 Jahren, hat sich der Ausbildungsstand um ein Vielfaches erweitert. Die Anforderungen in der täglichen Pflege sind intensiver und die Ansprüche der BewohnerInnen und Angehörigen höher. Hinzu kommt, dass die täglichen Pflegedokumentationen um das X-Fache gestiegen sind, da alles bis ins kleinste Detail dokumentiert werden muss. «Die Zeit die wir dafür benötigen, geht letztendlich für die Betreuung unserer BewohnerInnen verloren. Dadurch wird das Zeitmanagement immer intensiver», sagt sie. Der 56-Jährigen liegt es aber am Herzen, jedem der BewohnerInnen gerecht zu werden, und ihnen auch im hektischen Alltag ein bisschen Zeit zu schenken. Dies nagt an ihrer Energie. «Man braucht Zeit, um aufzutanken. Es ist ein Job, bei dem man viel Herz benötigt.» Dabei steht der Lohn bei Nussbaumer nicht im Vordergrund. Doch klar ist auch: Ein angemessener Lohn ist für das Pflegepersonal wichtig.
Es ist kurz vor halb zwölf. Die BewohnerInnen begeben sich langsam in den Speisesaal für das Mittagessen. Nussbaumer grüsst BewohnerInnen, die ihr auf dem Weg begegnen. Sie selbst fühlt sich hier auch schon fast wie zuhause. «Es kam auch schon vor, dass BewohnerInnen mich mit einer Salbe eingecremt haben, als meine Hand schmerzte. Dieses Vertrauen muss man sich erarbeiten.» Oft bleibt sie nach Feierabend länger als von ihr verlangt. Dann nimmt sie sich nochmals Zeit, spricht mit den BewohnerInnen, hält ihre Hand, ist für sie da. «Die Leute hier geben mir so viel. Das Lächeln in ihrem Gesicht ist der Grund, weshalb ich mich jeden Tag auf die Arbeit freue», sagt sie, als sich die Tür hinter ihr zum Speisesaal schliesst.
Von Cassandra Wüst und Marino Walser
Quelle: Gesundheitspersonal in der Schweiz ? Nationaler Versorgungsbericht 2021
Von Cassandra Wüst und Marino Walser
Die Initiative verlangt, dass Bund und Kantone die Pflege fördern. Es soll genügend diplomierte Pflegefachpersonen geben und in der Pflege tätige Personen sollen entsprechend ihrer Ausbildung und ihren Kompetenzen eingesetzt werden. Auch verlangt die Initiative, dass der Bund die Arbeitsbedingungen regelt und für eine angemessene Abgeltung sorgt. Ausserdem sollen Pflegefachpersonen gewisse Leistungen direkt zu Lasten der Krankenkasse abrechnen können. Der Bundesrat und das Parlament empfehlen den Gegenvorschlag. Ihr Gegenvorschlag sorgt dafür, dass rasch mehr Pflegende ausgebildet werden und diese mehr Kompetenzen erhalten, ohne dass Kosten und Prämien deswegen steigen.
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