Astrologin Judith Schmidheiny
macht einen Ausblick ins Jahr 2025
Drei Jahre und einen Tag. So lange sind ausgebildete Wandergesellen laut einer 800-jährigen Tradition mindestens auf einer Wanderschaft unterwegs. Einer, der diese Wanderjahre weit weg von zuhause verbracht hat, ist Peter Angehrn aus Rebstein. Im Gespräch mit dem Rheintaler Bote erzählt er, wie er diese Zeit empfunden und wohin es ihn während der Wanderschaft verschlagen hat.
Rebstein Der gelernte Zimmermann Peter Angehrn aus Rebstein hat im Jahre 1986 seine Wanderschaft gestartet. Die Vorgaben dafür: unter 30 Jahre alt, ledig, ohne Schulden und kinderlos zu sein. Den Beginn der Wanderschaft verbrachte der junge Zimmermann in Deutschland. Weiter ging es dann nach Frankreich, Dänemark, Schweden, Norwegen, Jugoslawien, Griechenland, Israel, Ägypten, Neuseeland und Australien. Doch wie kommt man mit 200 Franken «Handgeld» so weit?
«Bevor ich ging, bekam ich von Freunden und Verwandten einen kleinen Zustupf für meine Reise. Ansonsten habe ich nur das Nötigste wie zum Beispiel einen Schlafsack, um draussen oder in einer Firma im Trockenen zu schlafen, mit auf Wanderschaft genommen», erinnert sich Peter Angehrn. Auf seiner Reise arbeitete er in verschiedenen Handwerksbetrieben und erhielt dafür einen Lohn, um seine Wanderschaft fortzusetzen. Um jeweils den nächsten Arbeitsplatz zu finden, musste sich Peter Angehrn auf seiner Reise so gut wie nie Gedanken machen: «Dank der Zimmermannskluft, sahen die Leute bereits von weitem, dass ich ein Zimmermann auf Wanderschaft war, und haben mich deshalb angesprochen, ob ich ihnen in der Firma für eine Zeit unter die Arme greifen könnte. Die Gesellen auf Wanderschaft waren auch gerne gesehen, da man in dieser Zeit niemanden fest anstellen musste, sondern nur für die Dauer, in der man mehr Arbeit hatte, einen Mitarbeiter mehr zur Verfügung hatte.» So pendelte der 56-Jährige von Stadt zu Stadt und über Landesgrenzen hinweg. «Auf der Wanderschaft ist man meistens mit seinem Reisekameraden unterwegs. Manchmal trifft man dann auf andere Zimmerleute, die auf Wanderschaft sind und tut sich zusammen. So waren wir zum Beispiel in Ägypten damals zu acht unterwegs», erklärt der gelernte Zimmermann. So habe jede Form des Reisens seine Vor- und Nachteile: Wenn man alleine oder zu zweit unterwegs sei, gebe es mehr Kontakt zu anderen Leuten und das Trampen sei einfacher, jedoch habe man in einer Gruppe immer einen Gleichgesinnten dabei - auch in schwereren Zeiten.
Die damaligen Regeln der Wanderschaft wurden an die heutigen Zeiten angepasst. Man ist zwar immer noch auf das Nötigste beschränkt, wenn es um das Gepäck geht, jedoch erschweren andere Umstände die Wanderschaft. Wie zum Beispiel fehlende Telefonzellen, die früher an jeder Strassenecke zu finden waren. «Heutzutage müsste man in dieser Situation wohl eher auf ein Internetcafe ausweichen», erwähnt Peter Angehrn. Auch seien früher viel mehr Berufsgruppen auf Wanderschaft gegangen. Wie zum Beispiel die Bäcker, Müller oder Schumacher. Auch die Kluft der Wandergesellen ist mit Mythen behaftet: Die acht Knöpfe der Weste stehen für die acht Arbeitsstunden pro Tag und die sechs Knöpfe der Jacke stünden für die sechs Arbeitstage pro Woche. Dass die Wanderschaft mindestens drei Jahre und einen Tag geht, hat einen bestimmten Grund: Sie soll länger dauern als die Lehrzeit der Wandergesellen. «Dabei gibt es gewisse Regeln, die eingehalten werden sollen. Wie zum Beispiel, dass man nicht länger als ein halbes Jahr im gleichen Betrieb mitarbeiten sollte. Zudem muss darauf geachtet werden, dass man nicht länger als ein halbes Jahr ohne Arbeit ist», erklärt der gelernte Zimmermann.
«Ich bin auch heute noch Mitglied in der Zunft. Wir treffen uns regelmässig in verschiedenen Städten, stärken unseren Zusammenhalt und halten so die Tradition am Leben», so der 56-Jährige. In der Zunft, in der Peter Angehrn Mitglied ist, sind keine Frauen zugelassen. Er ist während seiner Reise eher selten weiblichen Wandergesellen begegnet: «Während der Wanderschaft ist man oft auf eher engem Raum zusammen. Die Frauen, denen ich begegnet bin, waren jedoch sehr unkompliziert unterwegs.» Die Zunft selbst ist sehr wichtig für die Schweizer Wandergesellen, da sie verschiedene Unterkünfte und die Verbindungen der Gesellen auf der Wanderschaft sichern. Auch heute trägt Peter Angehrn seine Kluft mit Stolz: «Ich habe mir die jetzige Kluft für meine Hochzeit damals gekauft. Ich trage sie heutzutage bei Treffen der Zunft, bei der Verabschiedung eines Wandergesellen oder an speziellen Anlässen.» Diese besteht aus einem schwarzen Hut mit Krempe, es kann ein Zylinder oder eine Melone sein, einem weissen Stauden-Hemd, einer Veste und Jackett, einer Hose aus Manchester- oder Pilotstoff in schwarz oder braun und schwarzen Schuhen.
Der gelernte Zimmermann lernte während seiner Wanderschaft viele verschiedene Leute kennen. Einerseits bleiben die Kontakte zu Wandergesellen, die damals Wegbegleiter waren, andererseits die Verbindungen zu ehemaligen Arbeitgebern oder mittlerweile Freunden, die ihm damals eine Unterkunft geboten haben. Diese Begegnungen sind allesamt in seinem Wanderbuch niedergeschrieben. «Jeder Arbeitsgeber hat sich in meinem Wanderbuch verewigt und jeweils etwas über meine verrichtete Arbeit, meinen Arbeitsstil oder das Verhalten während der Arbeitszeit notiert», erzählt der Zimmermann und blättert in den zahlreichen ausgefüllten Seiten seines Wanderbuches. Er selbst würde jeder und jedem eine Wanderschaft empfehlen. «Man ist in dieser Zeit vogelfrei, macht Erfahrungen in anderen Ländern und ‘isst auch mal fremdes Brot’. Für die Wanderschaft gibt es keinen Leitfaden. Jeder macht sie individuell nach seinem Ermessen. Man lernt einiges für sein Leben dazu», schwärmt der 56-Jährige. Es habe jedoch auch kritische Situationen gegeben. Beispielsweise mit einem Arbeitgeber, der ihm damals den versprochenen Lohn für seine Arbeit nicht auszahlen wollte. Jedoch überwiegen bei Peter Angehrn die positiven Erinnerungen.
Als er dann nach einer ausgedehnten Wanderschaft wieder zuhause angekommen war, war es schwierig sich wieder zuhause einzufinden: «Es war schwieriger, wieder nachhause zu kommen, statt von zuhause zu gehen. In diesen mehr als drei Jahren hat man so viele Eindrücke gesammelt, dass es für andere schwer war, alle meine Erlebnisse einzuordnen. Auch war es schwierig sich zuhause wieder einzufinden. Ich ging direkt nach meiner Ankunft in den WK. Und musste mich wieder bei einem fixen Arbeitgeber einfinden.» Momentan sind in Europa schätzungsweise 50 bis 70 Gesellen auf Wanderschaft. Auch sie werden viele Eindrücke sammeln, neue Sprachen lernen und ihr Handwerk in anderen Ländern präzisieren, genau so wie Peter Angehrn damals von 1986 bis 1990.
Von Manuela Müller
Lade Fotos..